Neues aus dem Signa-Imperium.
Die Signa Gruppe, Eigentümerin von Galeria Karstadt Kaufhof, hat 2020 mehr als 40 Warenhäuser geschlossen und 4.000 Jobs gestrichen. Nur kurz darauf kam die Nachricht, dass diesem verantwortungslosen Milliardenkonzern satte 460 Millionen Euro Staatshilfen von der Bundesregierung in den Rachen geworfen werden.
Ihr findet das absurd und ungerecht? Dann haltet euch fest, es geht noch weiter…
Jüngst kam heraus, dass die Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) 2020 eine Kreditbürgschaft in Höhe von 90 Millionen Euro für die ebenfalls zu Signa gehörende KaDeWe-Group genehmigt haben – und zwar, wie Boris Bonczyk von Initiative BerlinerInnen gegen Signa sagt, „in üblicher, also klandestiner, Manier zwischen den Senatsverwaltungen für Wirtschaft und für Finanzen“ – und somit weitestgehend an der Öffentlichkeit vorbei. Mehr Infos findet ihr hier in diesem Artikel Warum Berlin für einen Millionenkredit für das KaDeWe bürgt.
Berlin bürgt also seit einem Jahr ohne unser Wissen für einen Millionenkredit an Signa.
D.h. auch: Wir Berliner*innen bürgen für diesen skrupellosen, zerstörerischen Konzern. Wir bürgen für Signa und damit auch für Signa-Gründer René Benko mit einem geschätzten Privatvermögen von 4,8 Milliarden Euro. Während kleine, inhabergeführte Läden, Restaurants und Cafés um ihre Existenz bangen müssen. Während Mieter*innen sich fragen, wie sie die Miete und die neuen Schulden durch den Wegfall des Mietendeckels bezahlen sollen. Während wir, verzweifelt und erschöpft, versuchen mit den Folgen der Pandemie zurechtkommen, müssen wir mit anschauen, wie sich große Konzerne weiter bereichern und von der Situation sogar noch profitieren.
Signa bringt nur Ausbeutung und Zerstörung und bekommt von der Politik auch noch Unterstützung dafür, wie die aktuelle ARD-Doku Der Kaufhauskönig – Wie ein Multimillionär Karstadt und Kaufhof versilberte aufzeigt!
Nachfolgend einige Überlegungen, was das für uns am Hermannplatz bedeutet!
Mieten und Jobs
Normalerweise sind für ein Warenhaus Mietkosten von maximal 5% des Umsatzes verkraftbar. Signa erhöhte die Miete der eigenen Warenhäuser auf 10%. Dies ist eine Summe, die nach Expert*innenmeinung durch ein Warenhaus nicht zu erwirtschaften ist. Gleichzeitig kürzte das Unternehmen konsequent Personal – und damit genau jenen Service, der den Kern und Vorteil des Betriebs ausmacht und diesen vom Online-Handel abgrenzt. Signa als Eigentümerin saugt also den eigenen Warenhaus-Betrieb durch hohe Mieten aus und spart gleichzeitig genau da, wo es dem Betrieb und den Mitarbeiter*innen am meisten schadet. Wen wundert es dann noch, dass das Warenhaus-Geschäftsmodell nicht standhält?
Wenn Signa dann in Bezug auf den Standort am Hermannplatz davon spricht, dass das Warenhaus-Modell nicht mehr funktioniere und deswegen das Karstadt-Gebäude in unserem Kiez abgerissen und neugebaut werden müsse, ist dies schlichtweg verlogen. Denn Signa selbst sorgt dafür, dass sich das Warenhaus kaum noch trägt.
Aber warum tut Signa das überhaupt? Weil trotzdem Profite gemacht werden: Das Geld, das Signa aus dem einen Unternehmenszweig des komplexen Firmengeflechts abzwackt, fließt in wiederum andere – und dadurch kann der Konzern Steuern vermeiden.
Geld und Steuern
Signa ist eine extrem verschachtelte Unternehmensgruppe. Die Geldflüsse innerhalb der Gruppe sind undurchsichtig – eine perfekte Grundlage zur Steuervermeidung. Steuerexpert*innen sagen, dass Signa Gewinne aus Immobilienprojekten in Deutschland nach Luxemburg und dann weiter in die Familienstiftungen von René Benko in Liechtenstein verschiebt. Wo Signa baut, kauft, Immobilienprojekte vorantreibt, kommen den Kommunen und Städten keine Steuereinnahmen zugute.
Da fragen wir uns als Zivilgesellschaft zurecht, warum Bezirksbürgermeister Martin Hikel oder der Regierende Michael Müller (beide SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) oder der Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) René Benko und seine Signa weiter umwerben – zum Beispiel mit dem „Letter of Intent“, einer Absichtserklärung, in der sie dem Konzern Unterstützung für die Bauprojekte am Hermannplatz, Alexanderplatz und Kurfürstendamm versprechen. Denn sie wissen doch sicherlich, dass sie keine Steuern von diesem Unternehmen erwarten können?!
Die Antwort: Sie setzen auf die erbärmliche Tourismus-Karte. Dem Wirtschaftszweig also, den die Politik spielend beeinflussen kann, indem sie unsere Stadt vermarktet und feilbietet. Große Prestige-Projekte bringen Aufmerksamkeit und Tourismus, das füllt kurzfristig die Haushaltskassen und bringt Bullshit-Jobs hervor, die wir nicht brauchen. Apropos Bullshit-Jobs – ein weiterer Wirtschaftszweig macht sich den Ausverkauf zunutze: Aggressive Tech Players wie Amazon und Zalando drängen sich in die Stadt und kooperieren mit dem Immobilienkapital. Kein Zufall also, dass gerade der berüchtigte Online-Modehändler Zalando in das neue Signa-Gebäude „Up“ am Ostbahnhof eingezogen ist. Ist das eine nachhaltige Stadtentwicklung? Bringt das ein gutes Leben für alle hervor? Nein – das Gegenteil ist der Fall.
Immobilienwerte, Bau und Umbau
Signa bilanziert den Wert ihrer Immobilien enorm hoch. Der Konzern ist auf die Aufwertung seiner Immobilienbestände angewiesen, weil er bei hohem Immobilienwert auch höhere Mieten verlangen kann. Auf 20 Milliarden Euro beziffert Signa ihr Immobilienvermögen, mit auffällig extremem und ungewöhnlichem Wertzuwachs in den letzten Jahren. Je höher der Immobilienwert, desto höher auch die Kredite, mit denen Signa diesen belasten kann. Doch das tut der Konzern nicht nur mit den Bilanzen sondern auch mit Um- und Neubauten. Im Immobilien-Portfolio „Signa Prime Selection“ handelt es sich bei knapp der Hälfte der Immobilien um Neubauten, bei denen zuvor Bestandsgebäude abgerissen wurden, und bei der anderen Hälfte um radikale Umbauten.
Von Anfang an hat auch die Initiative Hermannplatz öffentlich betont, dass Signa am Hermannplatz nur eine Aufwertung ihrer Immobilie beabsichtigt, um mehr Miete verlangen und mehr Profite einfahren zu können. Ein größerer Neubau, noch dazu mit monumentaler, historisierender Architektur, reizt die Wertsteigerung drastisch nach oben aus. Dabei geht es Signa nur darum, die Bilanzen der Unternehmensgruppe weiter nach oben zu schrauben. Die leeren Versprechungen Signas, ein Projekt für die Nachbarschaft zu entwickeln, sind nichts als Nebelkerzen. Signa geht es nicht um die Beschäftigten, nicht um Berlin, nicht um den Kiez – und damit auch nicht um uns.
Bei tatsächlicher Umsetzung des Projektes würde uns vielmehr ein Shop-in-Shop-Modell für teure Luxusmarken, überflüssige Büroflächen für die Tech-Industrie und unnötige Gastronomie erwarten. Und eine Nachbarschaft, in der die Immobilien- und Bodenwerte noch extremer steigen würden – und schließlich auch unsere Mieten. Nicht zuletzt durch den Wegfall des Mietendeckels würde dies noch gravierendere Verdrängungen nach sich ziehen und die endgültige Kommerzialisierung unserer Kieze bedeuten.
Deswegen sagen wir: das Warenhaus ist in Besitz der falschen Eigentümers – Signa muss enteignet und die Warenhäuser in Gemeineigentum überführt werden. Signa ist nicht an innerstädtischer Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs interessiert, sondern an Mieten und Immobilienprojekten. Warenhäuser müssen anders betrieben werden! Wir können die Zukunft nicht den Immobilienkonzernen überlassen, die sich Profit-Maschinen in unsere Zentren bauen. Wir brauchen eine Zukunft, in der wir selbstbestimmt leben und uns selbstversorgen können – ökologisch nachhaltig, sozial und global gerecht.