„Beteiligung“ von oben nach unten

Am Freitag , den 5. November 2021, fand nun die Infoveranstaltung der Senatsverwaltung zum „Masterplanverfahren Hermannplatz“ im „Huxleys Neue Welt“ statt. Etwa 200 Menschen nahmen teil, davor gab es einen Infostand mit Stelltafeln und Flyerverteilung der Initiative Hermannplatz.

Stelltafel

Von einem Besucher bekamen wir den folgenden Bericht.

Bericht zur Veranstaltung „Grundlagenermittlung Hermannplatz“ 5.11. im „Huxleys Neue Welt“ / Hasenheide

Zu dem, was dort von der Bühne herab inhaltlich vorgetragen wurde, will ich hier nur wenig schreiben, weil es m.E. überwiegend wohlfeile Rhetorik von Verwaltung und Stadtplanung war wie man sie von einschlägigen Publikationen kennt. Es gab kaum einen Bezug zu den konkreten Örtlichkeiten, den für den Hermannplatz relevanten Fragestellungen (Karstadt Neubau, Tram, Neugestaltung Hermannplatz) und den Perspektiven der Anwohner:innen bzw. Gewerbetreibenden im Umfeld  . Leider erstreckten sich diese ausgesprochenen unergiebigen Inputs über die komplette erste Stunde der Veranstaltung, sodass für eine tiefergehende Diskussion mit dem Publikum nicht ausreichend Zeit blieb. Zudem war das ganze Setting nicht geeignet, einen Dialog auf Augenhöhe zu führen, wie selbst die Vortragenden zugeben mussten – sie standen auf einer hohen Bühne, das Publikum weit entfernt im Saal.

Zum Rahmen der Veranstaltung:  Diese sollte eine Öffentliche Auftaktveranstaltung zur Beteiligung an der „Grundlagenermittlung Hermannplatz“ sein, gefolgt von diversen „Zielgruppenwerkstätten“ in den nächsten Wochen. Eingeladen hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, moderiert wurde von Sabine Slapka / „die raumplaner“, vorgetragen haben Wenke Christoph (Staatssekretärin für Wohnen),  Michael Künzel (Referat 1b / Leiter Stadtplanerische Konzepte) und Herr Niehus (Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Wohnen ,für Zentrenentwicklung).

Da es massive Kritik daran gab, dass im Vorfeld unklar war, um was es an diesem Abend überhaupt ging:
„Grundlagenermittlung“ soll heißen, dass diese dem eigentlichen Planungsverfahren vorgeschaltet ist (O-Ton: „Schritt 0“) und die Bedarfe der verschiedenen Zielgruppen zu wirtschaftlichen, gesellschaftlicher, soziale, kulturellen usw. Aspekten zusammentragen soll, welche dann Grundlage für das weitere Planungsverfahren (Bebauungsplan, Masterplan usw.) ist – mit dem Anspruch von Ergebnisoffenheit, Transparenz und Betonung von Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit. Insbesondere soll die Grundlagenermittlung sich auf die aktuelle Situation am Hermannplatz beziehen, das betrifft auch Karstadt im Bestand und ausdrücklich nicht auf die von Signa schon veröffentlichten Planungsdetails.

Kritisiert wurde aus dem Publikum, dass die Behauptung  der „Ergebnisoffenheit“ wenig glaubwürdig ist, da es bereits einen „Letter of Intent“ (LoI) zwischen Signa und Senat gibt, der schon sehr konkrete Vorgaben enthält. Außerdem wurde kritisiert, dass sowohl die heutige Veranstaltung als auch die folgenden Zielgruppenwerkstätten im Vorfeld nur unzureichend beworben und dargestellt wurden und insbesondere bei den Zielgruppenwerkstätten völlig intransparent ist, wer dazu eingeladen wurde und nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte – dies hätte v.a. schon im Vorfeld passieren müssen. Die Behauptung, dass dort nur „Experten aus unsere Mitte“  und im wesentlichen zivilgesellschaftliche Gruppen beteiligt sind, ist wenig glaubwürdig – wahrscheinlicher ist, dass dort Akteure mit wirtschaftlichen/kommerziellen Interessen ein Übergewicht haben. Auch die Behauptung, dass die Quartiersmanagementsbüros als Multiplikatoren ausgereicht hätten, unterschlägt, dass es in den umliegenden Kiezen (z.B. Reuterkiez) gar kein Quartiersverfahren mehr gibt und auch da, wo es sie gibt, zunächst eine Einbeziehung der Quartiersräte inkl. Offenlegung des Verfahrens nötig gewesen wäre. Wie auch bei anderen Beteiligungsformaten, ist hier das grundlegende Problem, dass die Öffentlichkeit am Prozess nur punktuell beteiligt wird. Statt die Zivilgesellschaft schon bei der Planung solcher Beteiligungsverfahren einzubeziehen, wird ihr hier mit minimaler öffentlicher Kommunikation ein fertiges Format vorgesetzt. Generell finde ich es auch schwierig, wenn es keine inhaltlichen Inputs aus der Zivilgesellschaft gibt, sondern sich diese die Verwaltung vorbehält – das schafft kein gutes Diskussionsklima.  Auch die Fragen der Online-Beteiligung, die in diesen Tagen starten soll, sind sehr eng gefasst und geben wenig Raum für Rückmeldungen.

Aus der Vielzahl an weiteren Problemen an dieser Veranstaltung, die aus dem Publikum heraus vehement kritisiert wurden, ein paar Beispiele:
Keine Rolle bei dieser Grundlagenermittlung spielen offensichtlich die Themen Wohnen, Aufwertung und Gentrifizierung. Der Anspruch an einen „sozialverträglichen“ Prozess wird nicht mit Inhalten gefüllt, auch nicht wie ein Ausgleich der Interessen vom kommerzieller und öffentlicher Nutzung gefunden werden soll, wie Kleingewerbetreibende vor weiterer Verdrängung und steigenden Gewerbemieten geschützt werden sollen. An den Zielgruppenwerkstätten wurde kritisiert, dass diese tagsüber stattfinden, sodass die meisten Leute im Arbeitsprozess nicht teilnehmen können. Auch wurde kritisiert, dass die Veranstaltung nicht mehrsprachig war, sondern ausschließlich auf deutsch geführt wurde. Zum Ende der Veranstaltung hin spitzen sich die Proteste immer schärfer zu, es wurde in Sprechchören gefordert, dass das ganze Beteiligungsverfahren in dieser Form gestoppt und neu aufgerollt wird. Ich selber habe bisher selten Beteiligungsformate erlebt, die ich besonders gelungen fand, aber dieser Abend war schon ein außergewöhnliches Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte, wie man komplett am Publikum vorbei redet und vor allem daran scheitert, den richtigen Ton zu treffen.

andreas berg

weitere Infos:
Presseerklärung der Ini Hermannplatz vom 1.1.2021
https://initiativehermannplatz.noblogs.org/files/2021/11/Pressemitteilung-Initiative-Hermannplatz_nr9_01112021.pdf

nd,8.11.2021 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158375.berliner-stadtentwicklung-ein-weisser-elefant-namens-signa.html
Senatsverwaltung verspielt Vertrauen bei Beteiligung zu Karstadt am Hermannplatz.