Seit Ablehnung der Neubaupläne des Immobilienkonzerns Signa seitens Stadtentwicklungsamt Friedrichshain-Kreuzberg (Florian Schmidt) und Neukölln (Jochen Biedermann) gab es eine Reihe von Statements von und Interviews mit Timo Herzberg, Firmenchef der Signa Gruppe in Deutschland. Er bewirbt das Projekt weiterhin und betont, dass „Überzeugungsarbeit“ in den Bezirken und im Senat geleistet werden soll. Der regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und die Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) reagierten umgehend mit der Befürwortung des Bauvorhabens und drohten damit, das Projekt an sich zu ziehen. Aktuell hat die SPD Neukölln ein Video auf Facebook gestellt, in dem sie fordern, dass der Senat die Neubaupläne aufgrund der
“gesamtstädtischen Bedeutung” an sich zieht. Nun stellt sich für uns, die Initiative Hermannplatz –karSTADT ERHALTEN, und allgemein für die Berliner Öffentlichkeit die Frage der Transparenz der Gespräche seitens des Senats und der SPD Neukölln. Wir fragen uns aufgrund dieser Vorgänge, für wen der Senat, die BVVs und die Abgeordneten eigentlich Politik machen.
Florian Schmidt teilte dem Tagesspiegel am vergangenen Freitag mit, dass es mehrere Gespräche mit Signa gegeben habe und weitere geben wird. Das ist nicht ungewöhnlich – das Karstadt-Gebäude steht im Planungsgebiet von Friedrichshain-Kreuzberg, Signa will dort ein Großprojekt realisieren und natürlich wird dies in der Verwaltung weiterhin verhandelt. Zumal die entsprechende Pressemitteilung
des Stadtentwicklungsamtes vom 30.08.2019 einen Umbau des Bestandsgebäudes nahelegt, der weiterer Verhandlungen bedarf. Was unsere Initiative jedoch wundert und irritiert, ist, dass sich
einzelne Politiker*innen aus dem Senat und der SPD Neukölln in die Debatte einschalten und Signas Großprojekt verteidigen. Problematisch ist, dass der Berliner Öffentlichkeit nicht bekannt ist, inwiefern
Senatspolitiker*innen und die SPD mit Signa über das Großprojekt am Hermannplatz sprechen und verhandeln. Findet die vermehrte „Überzeugungsarbeit in den verschiedenen Bezirksgremien und bei
dem Senat“ , die die Signa-Gruppe angekündigt hat, schon längst statt und trägt Früchte?
Klara Schmidtke von unserer Initiative Hermannplatz – karSTADT ERHALTEN: „Manchmal mutet es wieder an wie in den 1990er Jahren, als hinter verschlossenen Türen die halbe Stadt verkauft wurde.“
In der Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabriele Gottwald (LINKE) schrieb der Senat noch, dass „die übergeordneten planerischen Fragen mit den Bezirken geklärt werden müssen.“ Und: „Dabei sind die Fragen der Quartier-, Sozial- und Strukturverträglichkeit vorrangig und kritisch zu betrachten.“ Genau dies haben die beiden Stadtentwicklungsämter mit ihrer Sachkenntnis über die Quartiere sowie deren Gewerbe- und Sozialstrukturen seit Mai 2019 getan und sind so Ende August zu einem Entschluss gekommen, den wir als zivilgesellschaftliche Initiative und viele Anwohner_innen sowie Gewerbetreibende ausdrücklich begrüßen.
Wir fragen daher: Auf welcher Grundlage behaupten die Politiker_innen, die sich für die Signa-Pläne aussprechen, das Projekt besser einschätzen zu können als die Stadtentwicklungsämter Friedrichshain-Kreuzberg bzw. Neukölln? Verfügen sie über andere Informationen als die beiden
zuständigen Stadtentwicklungsämter? Werden die klar auf der Hand liegenden negativen Konsequenzen – Verdrängung von Gewerbetreibenden und Mieter_innen, Arbeitslosigkeit und Armut –
für die betroffenen Bezirke und uns Anwohner_innen ignoriert, billigend in Kauf genommen oder sind sie gar erwünscht?
Die angebliche “gesamtstädtische Bedeutung” und “überbezirkliche Versorgungsfunktion” des Hermannplatzes und der umliegenden Straßen, die als Argumente für eine Bearbeitung seitens des Senats angeführt werden, sind gegenwärtig nicht vorhanden sondern werden vielmehr von den entsprechenden Politiker_innen für die Zukunft angestrebt! Die negativen Konsequenzen eines Abrisses und gigantischen Beton-Neubaus dürften in ihren Augen die jetzigen Bewohner_innen ausbaden, damit zukünftig Charlottenburger und Frohnauer Bewohner_innen sich auf der
Dachterrasse vergnügen können. Wir vermuten zudem, dass es sich seitens der SPD um eine bedingungs- und rücksichtslose Befürwortung von globalen Investitionsflüssen nach Berlin handelt. Und für Ramona Pop zählen offenbar einzig die Belange von Tourist_innen und fiktiven, zahlungskräftigeren Bewohner_innen, mit denen sie nach der Verdrängung der jetzigen rechnet.
Wir, die jetzigen Bewohner_innen, kommen als „Faktoren“ in dieser Medienposse lediglich abstrakt vor, wenn von „Anwohner_innen“, „Bürgerbeteiligung“ oder „Bürgerdialog“ die Rede ist. Unsere immer größer werdende Initiative, die sich seit Juni aktiv beteiligt und gegen den Abriss und eine weitere Verdrängung durch die sogenannte „Aufwertung“ ausspricht, kommt höchstens am Rande vor. Wir sind jede Woche mit einem Info-Stand an der Hasenheide Ecke Hermannplatz präsent und aktiv im Gespräch mit unseren Nachbar_innen. Eine überwältigende Mehrheit auf der Straße ist schockiert über die Pläne der Signa und befürchtet vor allem Verdrängung durch Abriss und Neubau. Die Nachricht der Ablehnung des Bauvorhabens löste zunächst eine große Erleichterung aus.
Die Initiative Hermannplatz – karSTADT ERHALTEN unterstützt nachdrücklich den Beschluss des Stadtentwicklungsamtes Friedrichshain-Kreuzberg, die Baupläne der Signa Holding am Hermannplatz
abzulehnen. Kein Abriss und kein gigantischer Neubau. Keine Verdrängung durch „Aufwertung“ am Hermannplatz!
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